Fast zwei Jahre sind verstrichen seit ich mich das letzte Mal hier gemeldet habe und was soll ich sagen. Alles ist gut. Ich kann es selbst fast nicht glauben, dass ich das hier jetzt schreibe, aber ja, es ist alles gut. Das Leben ist immer für dich und für mich. Papa lebt nach wie vor in seinem Pflegeheim und gehört dort mittlerweile zum Inventar. Was vielleicht scherzhaft klingt, grenzt im Grunde an ein Wunder. Papa lebt in einer Demenz-WG mit 24 Bewohnern. Und von den 24 Bewohnern, die dort am 21. Mai 2019 wohnten, leben noch eine Frau, 2 Männer und mein Papa. Die anderen sind bereits verstorben. Deren Zimmer wurden neu belegt und wieder neu belegt und … allein im Zimmer meines Vaters – ja, sein Heim hat noch Doppelzimmer – sind bereits 4 Männer verstorben.
In Würde gehen
Wenn ich so darüber nachdenke, zucke ich förmlich zusammen. Oft habe ich mich gefragt, wie ist das, wie läuft das ab, wenn so ein Mensch in einem Doppelzimmer stirbt. Und was macht es mit dem Mitbewohner. Bei meinem Papa hatte ich nie den Eindruck, dass er das Sterben des anderen wirklich mitbekommt. Aber warum ist das so? Die Heimleitung hat mir erklärt, dass es für den Sterbeprozess ein separates Zimmer gibt oder alternativ wird ein Raumteiler aufgestellt, damit der Mensch in aller Stille und Würde gehen kann. Und natürlich auch, damit der Mitbewohnen nichts davon mitbekommt. Ob das wirklich so ist? Ich kann meinen Papa nicht fragen, aber ich kann sehen, wie es ihm an solchen Tagen geht und ich habe noch nie eine Veränderung an ihm bemerkt.
Das Leben ist immer für dich: lebe, genieße und akzeptiere
Durch dieses ständige Miterleben von Sterben, denke ich häufiger über den Tod nach. Leider macht er mir nach wie vor Angst und auch tieftraurig. Manchmal wünsche ich mir, dass es anders wäre. Aber es ist einfach so. Ich kann es nicht ändern. Ich weiß, sterben gehört zum Leben dazu. Doch was ist, wenn der Mensch krank wird, Alzheimer, Krebs, ach was weiß ich, irgendeine Krankheit und … ENDE. Viel zu früh. Doch wann ist zu früh? Und wann ist das Leiden viel zu lang. Tausend Fragen. Keine Antworten. Außer vielleicht die eine.
Das Leben ist immer für dich! Deshalb nimm es an, wie es ist. Was immer es dir schenkt oder nimmt, hat einen tieferen Grund. Deshalb lebe, genieße und akzeptiere.
von mir 🌸
Für mich ist das die Antwort und auf diese Weise kann ich damit umgehen. Bislang musste ich „nur“ Oma und Opa, einen sehr guten Freund sowie zwei meiner Hunde gehen lassen. Und ich weiß, der Schmerz lässt nach, du lernst damit umzugehen und ja, es macht dich auch stärker. Und das Allerschönste: die Erinnerung an schöne Momente bleibt! Doch wenn ich daran denke irgendwann meinen Papa gehen lassen zu müssen, dann schürt mir das Herz und ich hoffe, dass uns auch mit dieser Alzheimer noch viele schöne Tage geschenkt werden
Auch mal an sich selbst denken – das ist kein Egoismus
Ja, ich bin dankbar, wirklich dankbar, dass wir seit der Alzheimer-Diagnose so viele schöne Momente geschenkt bekommen haben. Wir haben so viele gute Zeiten geschenkt bekommen. Und ja, ich bin mittlerweile sogar in der Lage loszulassen, wieder an mich zu denken. Dinge zu tun, die ich mir über Jahre verboten habe zu tun, weil immer zuerst die Sorge um Papa kam. Das hört sich jetzt vielleicht egoistisch an, aber das ist es nicht. Hätte ich so weiter gemacht, wie noch vor ein paar Jahren, dann wäre ich jetzt körperlich und seelisch kaputt. Ja ich erlaube mir wieder an mich zu denken. Und das ist gut so. Ich bin weniger oft bei Papa, weil ich weiß und weil ich es fühle, dass es ihm im Heim gut geht. Ja, so ist es, ihm geht es gut und mir geht es gut.
Manchmal vermisse ich deinen Rat
Das Leben hat uns vor Herausforderungen gestellt, keine einfachen, mit der Alzheimer sogar eine richtig große, aber wir sind da durchgegangen. Wir gehen da immer noch durch. Jahr für Jahr, Monat für Monat. Woche für Woche und Tag für Tag. Wie gerne hätte neulich, als eine meiner Kunden aufgrund einer Krebserkrankung in die Insovlenz gelaufen ist und ich jetzt meine noch offenen Forderungen anmelden muss. Kein gutes Gefühl und am liebsten würde ich die Forderung einfach vergessen. Aber ist das im Business professionell? Ich weiß es nicht. Papa hätte es gewusst. Das vermisse ich sehr, ihn einfach fragen zu können „Papa, was soll ich machen?“ Jetzt gebe ich Antworten. Mir und anderen. So ist das Leben. Wir nehmen an, was da kommt und ich weiß, es wartet schon eine neue Herausforderung um die nächste Ecke auf uns. Aber darüber erzähle ich euch demnächst mehr. Für heute nur das Eine: Das Leben ist immer für dich. Mach das Beste daraus.