Meine Schwester und ich haben heute unseren Vater in eine gerontopsychiatrische Klinik gebracht, zur medikamentösen Einstellung. Seine Demenz schreitet immer weiter voran und in den letzten Wochen traten aggressive Begleiterscheinungen immer häufiger auf. Jetzt bin ich wieder zu Hause, Vater in der Klinik und ich fühle mich wie ein Verräter. Eindrücklich hat mir die behandelnde Ärztin erklärt, dass diese Form der Demenz (wahrscheinlich hat er eine Frontotemporale Demenz) nur schwer bis gar nicht zuhause zu bewerkstelligen ist. Der Patient brauche an diesem Punkt der Krankheit unbedingt professionelle Hilfe. Ganz abgesehen vom pflegenden Umfeld, also der Familie, die gehe an dieser Krankheit schlichtweg kaputt.
Spürst du, dass es richtig ist?
Hinzukommt, dass mein Vater heute, anders als sonst, überhaupt keine Regung zeigte, als wir die Räumlichkeiten der Station betraten. Normalerweise reagiert er auf weiße Kittel bereits allergisch. Kommt dann noch ein alter Mensch hinzu (er selbst sieht sich nämlich nach wie vor als Jungspunt) ist der Ofen völlig aus, dann will er meist nur weg oder kommentiert die „Alten“ abschätzig. Heute nicht. Hat er gespürt, dass das hier für ihn richtig ist? Merkt er wirklich so gar nicht mehr, was mit ihm passiert? Ich weiß es nicht. Im Grunde zeigt mir diese unerwartete Reaktion aber, dass es wohl höchste Zeit war, ihn in einer Klinik behandeln zu lassen. Doch macht es das für mich besser? Nein, ich fühle mich beschissen.
Wahrscheinlich ist, dass er auch in der Klinik irgendwann Aggressionen zeigen wird – nein, das ist wohl sicher. Doch was passiert dann mit ihm? Behandeln sie ihn dort gut? Bin ich dann schuld, wenn ihm dort etwas passiert? Ich weiß es nicht.
Die richterliche Verfügung – ein schreckliches Wort
Ich habe eine richterliche Verfügung auf Genehmigung einer Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung beantragen müssen, da bei ihm „Fluchtgefahr“ besteht. Mein Kopf sagt, du hast alles richtig gemacht. Mein Bauch fühlt sich ganz anders an. Aber ich sehe im Moment keinen anderen Weg. „Nehmen Sie die schönen Momente mit“, sagte mir die Ärztin heute. Doch wo sind die nur? Ich hoffe darauf, dass wir bald wieder welche erleben können – andere als früher … darauf haben wir uns schon lange eingelassen und müssen es jetzt wohl noch einmal mehr. Alles wird gut, daran glaube ich, auch wenn es mir heute schwerer fällt als sonst … alles wird gut, anders halt, aber gut, irgendwie hoffentlich…