44. Flying high…

Ich mach mir da ja schon recht lange so meine Gedanken und habe auch wirklich viel dazu recherchiert: medizinisches Cannabis. Huuuuuh … ein Aufschrei geht durch die Reihen der Schulmediziner. Kaum einer wagt sich an das Thema ran. Doch wenn man etwas tiefer gräbt, dann gärt das Thema schon lange vor sich hin. Es gibt Studien über die Wirksamkeit von Cannabis bei diversen Krankheiten. Doch sie finden nur wenig Gehör. Bei allen Ärzten, bei denen ich diesbezüglich bislang angeklopft habe, erntete ich nur ein müdes Lächeln oder Kopfschütteln. Die Pharmaindustrie brauch ich gar nicht zu erwähnen, denn damit ist ja kein Geld verdient.

Dabei habe ich einige Studien gefunden, die die Aussage belegen, dass Cannabis bei Agitation (Unruhe) und Aggression in Verbindung mit Alzheimer, eventuell für Linderung sorgen kann. Daher meine Hoffnung, dass Cannabis meinem Vater helfen kann, seine Ängste und die Scham, die er bei der Körperpflege empfindet und die nicht selten in Aggressionen münden, besser in den Griff zu bekommen. Ich hab die (vielleicht naive) Vorstellung, dass das Cannabis für eine gewisse, kurz anhaltende „Leck-mich-am-Arsch“-Haltung sorgen kann und damit die leidige Körperpflege für beide Seiten (für ihn und die Pflegekräfte) entspannter zu gestalten. Soweit der Plan.

Die Schulmedizin hat fertig

Jetzt zur Umsetzung. Die sich offenkundig als nicht ganz so einfach gestaltet. Zunächst treffe ich auf Ablehnung – quasi allüberall. Dann treffe ich eine ganz wunderbare Musik-Therapeutin und Multiplikatorin des Demenz-Balance-Modells®. Sie gibt mir den Tipp, dass eine Klinik, ganz bei uns in der Nähe, bereits mit Cannabis bei Alzheimer arbeitet. Und natürlich kennt sie auch jemanden dort und stellt den Kontakt zwischen uns her. Wie dankbar ich dafür bin, brauch ich euch nicht sagen. Und zunächst sieht auch alles gut aus. Doch dann wird es holprig. Auf einmal steht das Wort „Indikationsstellung“ im Raum. Puh. Allein das Wort bereitet mir schon Kopfzerbrechen. Und zwar deshalb, weil ich es nicht wirklich verstehe. Grob gesagt geht es darum, dass wir eine Indikation, also einen (driftigen) Grund benötigen, der die Gabe von Cannabis erforderlich macht. Wenn ich das in meinen einfachen Worten so richtig erklärt habe. Mir schwirrt der Kopf. Ich möchte einfach noch eine gute Zeit mit meinem Vater erleben. Ein gute Zeit bei all dem Alzheimer-Chaos. Und dann muss ich mich andauernd mit so nem scheiß rumschlagen.

Also mache ich mir weiter Gedanken … Ich als Laie sehe diese Indikation darin als gegeben, dass mein Vater ja keine anderen Medikamente (also keine Neuroleptika) verträgt. Neuroleptika werden aber in der Regel bei Aggression in Verbindung mit Alzheimer verordnet. Bei meinem Vater klappt das nicht, das haben wir ja die vergangen Monate miterleben können. Nicht die Alzheimer, sondern die verordneten Medikamente haben ihm fast das Leben gekostet. Und Beruhigungsmittel wie Tavor (Lorazepam) haben ihn wiederum in den Rollstuhl gebracht. Unter deren Gabe konnte er nicht mehr laufen, nicht mehr selbständig essen und trinken, hat alles umgeworfen, war völlig unkoordiniert und seine Umwelt hat er quasi nicht mehr wahrgenommen. Ohne Lorazepam geht das alles wieder sehr gut. Also für mich ist das mehr als genug Indikation. Aber wer bin ich.

Aufgeben? Nicht mit mir!

Zunächst gilt es aber nochmal die Situation im Heim zu klären. Kommt man dort mit meinem Vater weiterhin klar oder nicht. Also rede ich gestern mit dem Wohngruppenleiter meines Vaters. Der mir zwar betätigt, dass die Körperpflege ohne Lorazepam wieder problematischer ist, aber nach wie vor durchführbar sei, auch ohne weitere Medikamente. Sollte sich das ändern, reden wir wieder. Puuuuh, ihr könnt mir glauben, was da erst mal für ein Stein von meinem Herzen geplumpst ist. Ich hab mir so große Sorgen gemacht, dass dieses scheiß Medikamente-Thema nun wieder von vorne losgeht. Aber jetzt erst mal Entwarnung. Dennoch ist Cannabis nicht vom Tisch. In zwei Wochen kommt der Neurologe wieder zur Visite ins Heim. Dann sprechen wir nochmal. Und in der Zwischenzeit recherchiere ich weiter und verbringe eine gute Zeit mit meinem Paps. Ganz nach dem Motto: Heute wird gelebt!

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay 

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