50. Du kommst jetzt mit

Heute habe ich bei meinem Besuch im Seniorenheim etwas erlebt, belanglos könnte man meinen, doch mich bewegt es bis in den Abend. Mein Paps und ich saßen zur Abwechslung mal im Gemeinschaftsraum seiner WG. Es war kaum einer da, denn die meisten waren im großen Wintergarten. Dort wurde gesungen. Mein Paps war so mit seiner Büroarbeit beschäftigt, dass ich mit ihm in der WG blieb. Er schien mir zufrieden und da dachte ich mir: Singen wir einfach ein anderes Mal wieder. Heute gibt es offensichtlich einiges an Bürokram zu erledigen. „Na Papa, du hast heute wohl einiges zu tun?“ – „Ja, klar“, antwortet er.

Also blieben wir dort. Er aß sein Obst und die Schokolade, die ich ihm mitgebracht habe. Wir redeten über dies und über das. Zwischendurch haben wir ein bisschen zusammen gepfiffen. Solange bis Frau X unser Pfeifkonzert mit einem lauten „Schhhhhht“ beendete ?. Kein Problem. Pfeifen wir halt morgen wieder.

Bunte Farben

Dann kamen Frau Y und Frau Z vom Singen zurück. Wir haben uns freundlich begrüßt und ein kurzes Schwätzchen gehalten. Frau Y mag meine bunten Klamotten, das weiß ich. So war klar, dass ihr heute mein bunter Pullover auch gefiel. Und dann ist er auch noch gestrickt. Frau Y strickt und häkelt für ihr Leben gern. Als ich ihr dann sagte, dass mein Pullover gekauft ist und ich gar nicht stricken kann, versprach sie, mir das Stricken beizubringen.

„Weißt du, wenn ich dir das zeige und du das dann nachmachst und es vielleicht noch nicht so gut hinbekommst, dann zeig ich dir es nochmal und nochmal, bis du es kannst. So funktioniert das und dann kannst du es auch.“ Schön oder ?.

Diese Gesprächssequenz führten wir an die vier- bis fünfmal. Immer wieder von vorn. Aber das ist egal. Es war ein schönes Gespräch. Frau Z, die nicht mehr so viel Worte sprechen kann, stimmte auch immer wieder freudig in das Gespräch mit ein. Bei ihr genügt ein freundliches Lächeln und man hat das Gefühl Zufriedenheit kehrt ein.

Nehmen Sie gerne Platz

Dann sollten sich die Frauen an den Tisch setzen. Doch sie taten es nicht, liefern hier hin und dort hin und wussten nicht so recht wohin. Ich hab kurz überlegt und erkannte das vermeintliche Problem. Nur noch zwei Stühle am Tisch waren frei. Das müsste für die beiden eigentlich reichen. Doch die Stühle waren nicht nebeneinander. Also organisiere ich schnell um. Stelle die Stühle zusammen und biete den Damen einen Platz an. Siehe da, sie ließen sich nieder und schienen zufrieden. Ich auch.

Ich möchte nicht…

Doch dann geschah etwas Seltsames. Eine Frau kam herein, die Freundin von Frau Y. Sie wollte mit Frau Y noch ein bisschen spazieren gehen. Frau Y wollte nicht. Das machte sie unmissverständlich klar. Sie lief von der Frau weg, zeigte Abwehrverhalten und wollte sich wieder hinsetzen. Doch da hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ihr Besuch setzte sich mit für meine Ohren und Empfindungen barschen Worten durch und nahm Frau Y einfach mit. Und Frau Y trabte widerwillig hinterher.

Keine Ahnung, ob die beiden immer so miteinander sind. Aber für mich war das sehr befremdlich. Mein Bauchgefühl sagte mir: „Lass Frau Y doch in Ruhe, sie mag heute nicht, schließlich war sie eben noch Singen und hat wohl genug für heute.“ Das wusste die Besucherin ganz offensichtlich nicht.

Zurück vom Spaziergang, machte Frau Y für mich einen sehr in sich gekehrten Eindruck. Eben haben wir noch miteinander gesprochen und gelacht und jetzt? Mit stoischer Miene setzte sie sich an den Tisch, wo bereits das Abendessen auf sie wartete. „Lassen Sie es sich schmecken, Frau Y“, sagte ich und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, um direkt wieder in eine stoische Miene zurückzufallen.

Warum hat sie sie nicht einfach in Ruhe gelassen, warum musste der Spaziergang unbedingt sein? Diese Gedanken lassen mich nicht los. Dass die Kommunikation der beiden Frauen misslungen ist, das war auch der Besucherin klar. Sie meinte: „So hat sie noch nie reagiert.“ Bleibt zu hoffen, dass Sie das nächste Mal besser versteht, was Frau Y wirklich will…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert