Auch wenn ich nicht jeden Tag zu meinem Vater in die Klinik fahren kann, so rufe ich doch täglich dort an, um zu fragen, wie es ihm geht. Vor jedem Telefonat schnürt es mir die Kehle zu, mein Herz schlägt bis zum Hals und immer wieder die selbe Frage „Wie geht es meinem Vater?“ Mein Herz macht Luftsprünge, wenn die Antwort wie heute lautet: „Es geht ihm gut. Er isst mit Appetit, er trinkt und hat heute sogar schon geduscht.“ Auf was sich so ein Leben mit einem Mal reduziert. Essen, trinken, waschen, schlafen … Ich freue mich trotzdem, denn die vergangene Woche in der Klinik war schrecklich. Ja, es war mit Sicherheit die schlimmste Woche meines Lebens. Ganz zu schweigen von seinem Leben…
Es sind die kleinen Dinge
Seit drei oder vier Tagen geht es ihm besser. Jeden Morgen lautet die Antwort auf meine Frage nach seinem Befinden, das es ihm gut gehe. So schlecht mein Bauchgefühl vergangene noch Woche war, gepaart mit Vorwürfen, Selbstzweifeln und einer riesen Packung Angst, so gut ist mein Bauchgefühl heute. Es ist nur so ein Gefühl, doch ich hoffe, mich darauf verlassen zu können. Gestern waren wir bei ihm und tatsächlich, es ging ihm gut. Er saß entspannt im Gemeinschaftsraum, blätterte in einer Zeitschrift und unterhielt sich mit den anderen Patienten. Keine Unterhaltung im klassischen Sinn. Doch es wurde irgendwie kommuniziert. Als wir dann bei ihm waren, redete er wie ein Wasserfall, ohne Sinn und doch haben wir uns verstanden. Wie immer, wie zuhause auch. Das tat ihm gut, das konnte ich spüren.
Ohnehin spielt sich die Kommunikation zwischen uns mehr und mehr auf der Gefühlsebene ab. Wir lachen zusammen, regen uns gemeinsam über dumme Dinge auf oder schweigen auch mal gemeinsam. Wenn ich ihm sein Saftschorle, ohne Kohlensäure, bringe, dann freut er sich. Wasser ohne Kohlensäure ist wichtig, denn mit Kohlensäure mag er nicht, dann trinkt er zu wenig und braucht eine Infusion. Gestern hab ich das zum wiederholten Mal allen Pflegern gesagt. Vermutlich geh ich ihnen damit fürchterlich auf den Keks, denn ich bin eine Glucke, kann halt nicht aus meiner Haut. Aber: Heute hat er getrunken und siehe da, eine Infusion war nicht nötig.
Ein harter Job
An dieser Stelle möchte ich auch allen Angehörigen sagen, die ihren Partner, ihre Partnerin, Vater oder Mutter in der Klinik haben: bleibt im Austausch mit den Pflegern, geht ihnen zur Not auch mal auf den Wecker – nur bitte bleibt freundlich, denn sie alle haben sehr viel zu tun und nicht nur das, so ein Job in der Gerontopsychiatrie verlangt einem wahnsinnig viel ab. Aber dennoch sorgt dafür, dass das, was für das Wohlbefinden eures Angehörigen wichtig ist, auch bei den Pflegern ankommt, denn so fällt denen der Umgang mit den Patienten auch viel einfacher. Auch wenn es mal Dinge gibt, die nicht so toll sind, bleibt friedlich. Mein Vater hatte gestern beispielsweise ein Hemd an, das ihm überhaupt nicht gehörte. Zudem war es wirklich, wirklich sehr dreckig. Keine Ahnung, wie und warum es dazu kam, dass er es trug. Das hat uns nicht gefallen, deshalb haben wir ihn schnell umgezogen und den Pflegern nochmal gesagt, dass er jede Menge Klamotten im Schrank hat. Also bitte, wenn er das nächste Mal nur ein dreckiges Hemd (sei es nun seines oder nicht) im näheren Umfeld bei sich liegen hat, dann wäre evtl. ein Blick in den Schrank hilfreich. Wir haben es mit Humor genommen und uns war auch keiner böse – hoffe ich – wissen wir doch um die harten Bedingungen, unter denen sie alle arbeiten. Auch hier heißt es – bitte mit Gefühl.