8. Abschied auf Raten

Heute waren wir in der Angehörigen Sprechstunde bei einer Psychologin. Das erst Mal, dass ich bei einem Psychologen oder einer Psychologin war. Behutsam hat sie meine Mutter darauf vorbereitet, dass sie sich ihr Leben allmählich alleine einrichten sollte, dass sie die schönen Dinge sehen soll und nicht nur den Verlust, denn so hart es klingen mag: Mein Vater und ihr Ehemann ist nicht hier in der Klinik, um wieder gesund zu werden, denn das geht nicht mehr. Der Weg meines Vaters ist vorbestimmt, wie unser aller Weg, doch im Unterschied zu uns, wissen wir wohin es bei ihm führt, schneller als es uns allen lieb ist und auf eine Art und Weise, die man niemandem wünschen mag.

Seine Mitte finden

Und doch bin ich davon überzeugt, dass wir es schaffen, auch dieser Zeit noch Schönes abzugewinnen. Ich will und muss daran glauben, denn alles andere reißt mir das Herz aus dem Leib. Unser Abschied auf Raten hat schon vor einigen Jahren begonnen. Erst wurde mein Vater vergesslich, dann verlor er mehr und mehr die Orientierung, seine Sprache wurde immer schlechter, Wörter gingen verloren, nach und nach auch die Semantik. Irgendwann irrte er nur noch im Haus umher, ständig auf der Suche und fand doch nichts.

Ich wünsche ihm so sehr, dass wir durch diesen Aufenthalt in der Klinik zumindest das eine erreichen können, dass er wieder etwas ruhiger werden kann, dass er seine Mitte findet und Frieden schließen kann mit dieser so grässlichen Alzheimer Demenz. Das wünsche ich mir für ihn und auch für uns, damit wir die Chance haben diesem Abschied auf Raten noch schöne Situationen abzuringen. Der erste Schritt in diese Richtung ist getan. Die Medikamente scheinen zu wirken. Mein Vater wirkt allmählich ruhiger, die guten Tage werden häufiger und sein abwehrendes bis aggressives Verhalten lässt nach. Es fällt mir nach wie vor schwer, aus der Klinik wieder ohne ihn nachhause zu gehen. Dabei mag ich mir gar nicht ausmalen, wie meine Mutter sich hierbei fühlen mag. Doch so sehr es auch schmerzt und mir die Kehle zuschnürt, es lässt sich nicht ändern. Das ist unser Weg und den müssen wir nur gehen, ob es uns nun gefällt oder nicht.

 

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