Herrlich, heute ist tatsächlich der „Welttag des Händewaschens“. Habt ihr das gewusst? Ich hab es eben erst bemerkt und muss unweigerlich lachen. Ja, Lachen ist erlaubt, auch in unserem Leben mit Alzheimer und auch, wenn es dabei um meinen Vater geht. Aber, warum muss ich lachen? Na, das ist schnell erzählt.
Nach 14 Tagen – zuerst war ich erkältet, dann eine Woche im Urlaub – waren mein Hund Herta und ich heute wieder bei meinem Paps. Als wir reinkamen war er gerade im Gespräch mit einem Mitbewohner. Der andere Mann redete im Alzheimer-Kauderwelsch (darf man das sagen? – ich meine „ja“) auf meinen Vater ein. Mein Vater im Gegenzug ignoriert sein Gegenüber gekonnt. Genauso kenne ich ihn. Das hat er schon immer mit Menschen gemacht, die ihm am Allerwertesten vorbei gingen. Einfach ignorieren und sein eigenes Ding machen. Das hab ich übrigens von ihm und ich befürchte, sollte ich einmal dement werden, dann werde ich mich ähnlich verhalten wie mein Vater jetzt. Da können sich die anderen schon mal warm anziehen ?.
Das gebrauchte Stofftaschentuch
Aber zurück zur Situation. Mein Vater saß da also in stoische Gelassenheit und spielte mit einem Stofftaschentuch. Das offensichtlich nicht ihm, sondern dem anderen Mann gehörte. Er machte keine Anstalten, es dem anderen zurückzugeben. Sein Gegenüber mittlerweile leicht verzweifelt. Also schnapp ich mir das Teil – im Übrigen gebraucht – und geb es dem anderen Herrn zurück. Der sichtlich erleichtert, dass er sein gutes Teil wieder hat. Ich: Igitt! Schnell Händewaschen. Doch dazu komme ich nicht, denn schon kommt Frau Y um die Ecke gebogen mit den Worten: „Jetzt gib mir mal den Hund“ – und schwupp hat sie die Leine mitsamt meiner Herta im Schlepptau. Ich hinterher. Oh Mist. Frau Y hat Bronchitis. Pffff … „So viel Händewaschen kannste ja gar nicht.“, schießt es mir durch den Kopf und ich den beiden hinterher. Nachdem Sie mich nun mit Handschlag (Eieiei) begrüßt hat und die Herta von ihr ordentlich durchgeknuddelt wurde, gab sie mir Leine und Hund wieder zurück.
Laufen, Laufen, Laufen
Jetzt aber erst mal Händewaschen. Und am besten auch gleich noch desinfizieren. Gesagt getan – geht es für uns nun raus in den Garten. Wir wollen ein Stück gemeinsam laufen, damit er nicht die ganze Zeit im Rollstuhl sitzt. Selbständig steht mein Vater mittlerweile nur noch selten auf. „Also dann, gib mir deine Hand Paps und auf geht’s.“ Ach herrjeh, das sind ja die Hände, die eben noch mit dem gebrauchten Stofftaschentuch des Mitbewohners beschäftigt waren. Ach, scheiß drauf. Wir laufen eine Runde und reden und lachen. Und wieder einmal merke ich, wie das Laufen meinem Vater gut tut. Er pfeift fröhlich, redet wie ein Wasserfall. Ich versuche das Gespräch aufrecht zu erhalten. Und es gelingt mir tatsächlich, indem ich mal wieder in seinen ehemaligen Arbeitsalltag abtauche. Ich spreche von Prozentzahlen, Ergebnissen und was wir noch erreichen müssen. Und er ist voll dabei. 30 % der Strecke sind geschafft – also gehen wir die restlichen 70 % an. Er freut sich richtig und antwortet „Das machen wir!“.
Kurz vor dem Ziel kommen wir dann aber doch noch in Straucheln. Ein Moment der Unachtsamkeit und Paps kippt nach hinten. Wie ein geölter Blitz renne ich hinter ihn und fange ihn auf. Ein paar Zentimeter vor dem Boden, liegt er quasi auf mir. Doch wir bleiben gemeinsam standhaft und kommen rasch wieder in die Senkrechte. Puh. Noch einmal gut gegangen. Also schnell zurück in den Rollstuhl, den ich heute Chefsessel nenne. Ich weiß nicht, ob das doof ist. Es sollte die Situation auch keinesfalls lächerlich machen. Ich fand es nur einfach schöner, ihn zu seinem Chefsessel zu bringen, als zu seinem Rollstuhl.
Vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen
Erschöpft, aber zufrieden geht es dann zurück in seinen Wohnbereich zum Abendessen. Und wieder keimt in mir das Bedürfnis, die Hände zu waschen und die Hände von meinen Paps gleich mit. Das schaffen wir gerade noch rechtzeitig, dann kommt auch schon das Abendessen. Hände sauber, Essen schmeckt. Und alle sind zufrieden. Ja, offensichtlich drehte sich bei uns heute sehr viel ums Händewaschen und das gerade am Welttag des Händewaschens. Ein Umstand der mir unweigerlich ein Lachen ins Gesicht zaubert. Und Lachen ist doch immer schön – auch und gerade in unserer Lebenssituation. Findet ihr nicht auch?
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Ach nee, jetzt habe ich eben noch meinem Hund ins Fell geküsst. Genau an der Stelle, an der Frau Y – die mit Bronchitis – heute die Herta gestreichelt hat. Händewaschen hilft da jetzt auch nicht mehr – Lach!